ChristInnen und die aktuelle Krise der Demokratie in Europa
Während zahlreiche Völker außerhalb Europas, insbesondere im arabischen Raum, in Lateinamerika und in Südostasien, unter Einsatz ihres Lebens für minimale Freiheitsrechte kämpfen, ist im wohlhabenden Europa die Demokratie in eine ernsthafte Krise geraten.
Die Ursachen sind vielfältig: Die ideologische Erschlaffung der Parteien, Allianzen zwischen Politik, Finanzindustrie und Medienkonzernen und eine unregulierte ökonomische Globalisierung haben die sozialen Gegensätze enorm vertieft. Der Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik fördert den Aufstieg rechtpopulistischer und rechtsradikaler Parteien in vielen europäischen Ländern. Hetztiraden gegen AusländerInnen, gegen Muslime und Juden und gegen angebliche SozialschmarotzerInnen sind heute Teil der öffentlichen Meinung. Unter dem Deckmantel der Verteidigung des christlichen Abendlandes wird die biblische Botschaft von der gleichen Würde aller Menschen durch eine nationalistische Ideologie in ihr Gegenteil verkehrt. Dennoch haben unter dem Eindruck fortschreitender Säkularisierung auch nicht wenige ChristInnen bis hin zu Bischöfen in aller Offenheit Allianzen mit rechtspopulistischen Parteien gebildet.
Die Krise der Demokratie ist in Europa mit der Krise des Christentums verbunden. Deshalb brauchen heute Christen und Christinnen in der säkularen Gesellschaft eine neue Wachsamkeit, um weitere soziale Ausgrenzungen und eine Aushöhlung demokratischer Institutionen zu verhindern. Vor diesem Hintergrund gewinnt das christliche Liebesgebot, eine unmittelbare politische Bedeutung. ChristInnen stehen heute in Europa vor der Entscheidung, entweder zu Komplizen einer gefährlichen Auflösung demokratischer Ordnungen zu werden oder durch eine Rückbesinnung auf das christliche Ethos der Hinwendung zu den Armen und Fremden dem anschwellenden Geist rechtspopulistischer Bewegungen mutig entgegenzutreten.
KAVÖ, Wien am 17. November 2012